Entscheidungsfindung der Gremien

Die Verantwortlichen in den politischen Gremien haben sich die Entscheidung über die zukünftige Finanzierung des Straßenausbaus in der Gemeinde Söhrewald nicht leicht gemacht.

Das bisher angewandte Verfahren des maßnahmenbezogenen Beitrags wurde seit vielen Jahren praktiziert und Beiträge fielen immer nur dann an, wenn eine Straße grundhaft erneuert wurde. Auch war die Belastung von Anliegern an sogenannten klassifizierten Straßen – das sind Kreis-, Landes- und Bundesstraßen – verglichen mit Eigentümern an Anliegerstraßen niedrig. Zudem hatte es der Gesetzgeber den Grundstückseigentümern seit 2018 ermöglicht, die bisweilen sehr hohen Einmalbeiträge ohne Begründung für bis zu 20 Jahre stunden zu lassen und in dieser Zeit in Raten zu begleichen. Dabei konnte es aber trotzdem über einen sehr langen Zeitraum zu einer individuell enormen finanziellen Belastung Insbesondere deshalb stand und steht dieses Verfahren – insbesondere in der Bevölkerung – massiv in der Kritik.

Verzicht auf Einnahmen nicht möglich

Gerne hätte man daher in Söhrewald auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichtet. Da es in Hessen aber keinerlei Ersatzleistungen – beispielsweise durch das Land – gibt, hätte dies bedeutet, dass die für den Straßenausbau notwendigen Mittel anderweitig durch die Grundstückseigentümer erbracht werden müssten. Daraus ergab sich, dass die Gemeinde Söhrewald bei einer Abschaffung von Beiträgen insbesondere die Grundsteuer massiv erhöhen hätte müssen. Anderenfalls wäre es durchaus möglich gewesen, dass die weitere Erhebung von Straßenbeiträgen durch die Aufsichtsbehörden angeordnet worden wäre (s.a. BVerwG, Urteil v. 29.5.2019, Az. 10 C 1.18).

Das Steuermodell als mögliche Alternative

Auf den ersten Blick erschien die Möglichkeit eines grundsteuerfinanzierten Modells, wie es inzwischen in vielen Städten und Gemeinden praktiziert wird, attraktiv. Vielfach wird argumentiert, dass so schließlich alle Nutzer der Straßen auch an deren Finanzierung beteiligt würden und nicht nur die Grundstückseigentümer. Bei näherer Betrachtung wurde aber deutlich, dass ein steuerfinanziertes Modell für die meisten Grundstücksbesitzer keinerlei positive Auswirkungen hat und der Grundgedanke auch gar nicht zutrifft. Die anteilige Grundsteuerbelastung von Einfamilienhaus-Besitzern oder denen von privat genutzten Zwei- und Mehrfamilienhäusern würde sich dadurch nämlich nicht verändern. Mieter, die durch die Miete bereits den Vorteil der Nutzungsmöglichkeit der Wohnung und damit der zu dieser führenden Straße bezahlen, wären allerdings über die Nebenkostenabrechnung höher belastet und deren Vermieter entsprechend geringer. Für den überwiegenden Teil der Grundstücksbesitzer in der Gemeinde hätte dies jedoch keinerlei positive Auswirkungen. Im Gegenteil müssten nämlich auch solche Grundstücksbesitzer eine erhöhte Grundsteuer zahlen, deren Straße erst kürzlich erstmals hergestellt oder saniert wurde. Eine Verschonung gibt es bei der Grundsteuer nicht.

Da aber höhere Steuereinnahmen automatisch zu einer höheren Steuerkraft einer Kommune führen, hätte diese Lösung für die Gemeinde und damit letztlich für die Grundstücksbesitzer zu weiteren Nachteilen geführt. Je höher die Steuerkraft einer Kommune ist, umso geringer wird sie an Leistungen aus den Landeszuweisungen und gegebenenfalls Zuschüssen zu Investitionen beteiligt. Auch würden sich – zumindest mittelfristig – Kreis- und Schulumlage erhöhen, da diese auf den Durchschnittsatz der Steuereinnahmen Hessischer Kommunen erhoben werden. Mit jeder Anhebung von Steuern steigt also deren Durchschnitt, der sogenannte Nivellierungssatz.

Erschwerend – und für die meisten Grundstückseigentümer in Söhrewald besonders belastend – kommt hinzu, dass es zahlreiche Grundstücke gibt, die im Gegensatz zu Straßenbeiträgen keine Grundsteuer bezahlen. Zumeist betrifft das besonders große Grundstücke, wie z.B. Schulen. Grundstücke der öffentlichen Verwaltung, kirchlich-religiös genutzte Grundstücke, Grundstücke, die zu Bildungszwecken genutzt werden und viele weitere sind von der Grundsteuer befreit. Diese wären somit ebenfalls von der Beteiligung an der Finanzierung der Söhrewalder Straßen befreit. Die dadurch entfallenden Einnahmen hätten also die grundsteuerpflichtigen Grundstücksbesitzer zusätzlich belastet.

Wenig bekannt ist auch die Tatsache, dass sich durch die Abschreibungspflicht von Straßen und die dazugehörige Auflösung der Sonderposten von Beiträgen im Ergebnishaushalt annähernd ein Ausgleich aus bilanzierungspflichtigen Erträgen und Aufwendungen ergibt. Da Steuern als „allgemeine Einnahmen“ nicht abgeschrieben werden, entfällt bei der Finanzierung aus Steuermitteln auch eine etwaige Auflösung von Sonderposten. Die Folge davon ist, dass die Abschreibungen den Haushalt der Gemeinde weiterhin belasten, es aber auf der anderen Seite keine Einnahmen durch die Auflösung von Sonderposten durch Beiträge gibt. Das führt dann in den Folgejahren dazu, dass weitere Steuermittel für die Deckung dieser zusätzlichen Finanzierungslücke verwendet werden müssen, was die Steuerbelastung der Grundstücksbesitzer weiter erhöhen würde.

Im Ergebnis ist – unter den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen – ein steuerfinanzierter Straßenbau für die Kommune und ihre Bürger die teuerste Variante.

Zudem gab es Befürchtungen, dass die eigentlich für den Straßenbau erhobenen Steuern, wenn sie erst einmal vereinnahmt waren, aus Sachzwängen anderweitig verwendet werden könnten. Während Beiträge nämlich grundsätzlich zweckgebunden sind und ausschließlich für die im Bescheid genannte Maßnahme verwendet werde dürfen, gibt es bei Steuern keinerlei Zweckbindung.

Die verantwortlichen Gremienvertreter haben sich daher im Interesse der Mehrzahl der grundsteuerpflichtigen Grundstücksbesitzer gegen dieses Modell entschieden.

Die wiederkehrenden Straßenbeiträge

Mit dem Modell der wiederkehrenden Beiträge besteht in Hessen seit 2013 die Möglichkeit, die angesprochenen Nachteile des Einmalbeitrags zu reduzieren. Durch die Verteilung der Kosten von Straßenbaumaßnahmen auf ein Abrechnungsgebiet fällt der zu zahlende Beitrag geringer aus, ist aber natürlich im Gegenzug häufiger zu entrichten.

Zwar wird die Verwaltung durch die Notwendigkeit der permanenten Datenpflege höher belastet, allerdings führt dies auch zu einer durchweg verbesserten Datenlage, die im Rahmen der Digitalisierung unserer Gemeinde erstrebenswert und notwendig ist.

Den Verantwortlichen war auch bewusst, dass Anlieger an den klassifizierten Straßen im Verhältnis bei diesem System etwas stärker belastet werden. Im Gegenzug entfällt bei anderen Grundstücken die sogenannte Eckgrundstücksregelung. Diese führt bei Erschließungs- und Erneuerungsbeiträgen dazu, dass Besitzer von Grundstücken, die an mehr als eine Straße angrenzen, bei jeder einzelnen Maßnahme beitragspflichtig wurden. Trotz einer Reduzierung der beitragspflichtigen Fläche bei jeder Maßnahme um 1/3 führte dies dazu, dass die Beiträge in der Summe nochmals deutlich höher waren als bei allen anderen Grundstücken.

Bei der Anwendung des wiederkehrenden Beitrags entstehen die – auf den ersten Blick ungerecht wirkenden – unterschiedlichen Beitragssätze in den verschiedenen Abrechnungsgebieten. Hier wird aber schnell deutlich, dass der höhere Beitrag in kleinen Abrechnungsgebieten auf Dauer nicht so häufig anfallen wird wie der niedrigere in den großen Gebieten. Da es in kleinen Ortsteilen weniger Straßen gibt, müssen folglich also weniger Sraßen saniert werden. Unterm Strich gleicht sich die individuelle Belastung im Laufe der Jahre also aus.

Da beim wiederkehrenden Beitrag im Gegensatz zum Einmalbeitrag alle Grundstücksbesitzer im Anrechnungsgebiet an den Sanierungskosten beteiligt werden, profitieren auch alle gleichermaßen davon, wenn eine Straße im Rahmen der Unterhaltungsmaßnahmen nur an der Oberfläche erneuert werden. Sogenannte Erneuerungen der Deckschicht einer Straße werden schon immer grundsätzlich aus Steuermitteln finanziert und lösen keine Beitragspflicht aus.

Unter den in Söhrewald gegebenen Umständen einer durchweg angespannten Haushaltslage und angesichts eines fehlenden Ausgleichs entfallender Beiträge durch das Land Hessen sind die Verantwortlichen in den Gremien daher zu dem Ergebnis gekommen, dass die wiederkehrenden Beiträge für die Grundstücksbesitzer in Söhrewald die sinnvollste und gerechteste der möglichen Optionen ist.

Die für die Umstellung auf das neue System entstehenden Kosten werden durch einen pauschalen Zuschuss des Landes gedeckt und belasten die Gemeinde nicht.

Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Modelle im Überblick

(Anm.: Der Basiszinssatz wurde zwischenzeitlich auf 1,62 Prozent erhöht. Der bei einer Stundung von maßnahmenbezogenen Beiträgen zu erhebende Zinssatz wäre demzufolge auf 2,62 Prozent gestiegen.)